Mir sitzt gerade ein 55-jähriger Mann gegenüber, dessen Frau einen Brusttumor hatte und sich bis jetzt (3 Jahre ist die Behandlung her) noch keine Anzeichen für ein Rezidiv zeigen. Ich frage ihn, warum er bei mir sei und was sich bei einem erfolgreichen Abschluss unserer Sitzung für ihn verändert hätte.
Er kommt mit dieser Frage erstmal nicht zurecht. Also erkläre ich folgendes:
„Stellen Sie sich vor, nach unserer Sitzung fühlen Sie sich besser, was wäre dann anders?“
In seiner folgenden Ausführung geht der Klient erstmal auf sein Problem ein, was ich sehr oft erlebe. Ich frage nach einer positiven Veränderung und erhalte erstmal die Schilderung einer Problemtrance. Er erklärt:
„Meine Frau ist jetzt 3 Jahre ohne Rezidiv und ich merke, dass ich total in der Vergangenheit hänge und die negativen Gefühle jedes Mal wieder hochkommen, wenn ich an die schreckliche Behandlungszeit denke. Da ging es meiner Frau oftmals besser als mir. Ich habe regelrecht mitgelitten, wenn es wieder zur Chemo ging und auch als meine Frau ihre Haare verloren hatte. Einmal hat sie mir fast in den Schoß gekotzt, weil ihr so übel war. All diese Bilder kann ich irgendwie nicht loslassen. Auch fällt mir auf, dass ich, wenn ich an die Zukunft denke, meistens negative Bilder in meinem Kopf erzeuge.“
Also frage ich erneut: „Und was wäre dann anders, wenn wir hier erfolgreich arbeiten würden?“
Er versteht nun besser, was ich meine. „Ach, so, das habe ich mir gar nicht richtig überlegt. Vielleicht könnte ich es schaffen die negativen Bilder loszulassen… hmm.. oder würde mir andere Bilder machen.“
„Verstehe ich das richtig, dass Sie hier lernen wollen mehr Gedankenhygiene herzustellen? Dass Sie so viel Achtsamkeit aufbringen, ihre Gedanken erst einmal wahrzunehmen und diese dann in eine gewünschte Richtung lenken können?“
„Ja, das haben Sie jetzt genau richtig formuliert. Ich möchte wieder Herr im eigenen Kopf werden. Also wenn ich hier rausgehe, sollte ich in der Lage sein, dieses ewige negative Karussell anzuhalten.“
„Das ist ein schönes Bild, das sie mir anbieten: ein Gedankenkarussell. Wollen wir uns das mal ein wenig näher betrachten?“
Der Klient ist dabei: „Ja, gerne!“
„Machen Sie es sich doch etwas bequemer auf dem Sessel und wenn Sie möchten, können Sie gerne die Augen schließen… Bitte nehmen Sie zuerst einmal wahr, dass Sie hier auf dem Sessel sitzen… Ihre Füße stehen auf dem Boden, können Sie das wahrnehmen? (Patient nickt)… Ihre Arme liegen auf den Armlehnen und ihr Rücken wird gestützt von der Sessellehne…Ihr Atem kommt und geht……ich lade sie nun ein sich dieses Karussell einmal bildlich vorzustellen. Können Sie es mir beschreiben?“
„Ja, das Bild ist sofort da, es ist so eine alte 2 stöckige Reitschule mit automatischer Orgel, die alte Melodien spielt, ziemlich schräg…“
„Wo sind Sie da in dem Bild?“
„Ich sitze in der oberen Etage in einem Feuerwehrauto und bimmle mit einer Glocke..“
„Wie alt sind sie da?“
„So etwa 10 Jahre alt und ich habe Spaß!“
„Also Karussellfahren macht Spaß, aber was ist, wenn es nicht anhält?“
….“Also irgendwie ist das wie in einem Horrorfilm, das Karussell fährt immer weiter und dem kleinen Kerl geht’s ziemlich dreckig mit der Zeit, er weint und will da raus.“
„Wie könnten Sie das Karussell stoppen?“
„…hmmm…ahh, dort gibt es ein großes Kabel, das den Strom zuführt. Das werde ich mal ziehen…. Die Musik geht ziemlich schräg aus und das Karussell kommt langsam zum Stillstand. Der kleine Kerl kann runterklettern und in meine Arme kommen. Jetzt erkenne ich, dass ich zweimal da bin, einmal als ich und einmal als Kleiner.“
„Wie fühlt sich das an, den Kleinen zu halten?“
„…hmmm sehr gut, warm und kuschelig, das gefällt uns beiden…“
„Sehr gut, bleiben Sie einfach in Kontakt und nehmen Sie bitte wahr, was jetzt sonst so in Ihrem Kopf passiert.“
„… hmmm…ich genieße den Kleinen und ansonsten ist da grad nix. Fühlt sich gut an. Einfach nur da sein….ruhig und friedlich… das Karussell steht…schön…“
Der Patient bleibt noch eine Weile in seiner Mitte und dann bitte ich ihn sich von seinem Kleinen zu verabschieden und wieder die Augen zu öffnen, ohne etwas an seinem inneren Zustand zu verändern.
Als er seine Augen wieder öffnet und mich anlächelt ist er begeistert, wie einfach es war in diesen ruhigen, zentrierten Zustand zu kommen. Er hat sein inneres Gedankenkarussell zum Stehen gebracht durch die Zentrierung auf seinen Körper im Hier und Jetzt und durch das innere Bild vom „Steckerziehen“. Auch die Kontaktaufnahme zu seinem inneren Kind ist ihm gelungen, was gar nicht so angedacht war.
Er bedankt sich bei mir und will diese kurze Übung für sich wiederholen, wenn er den Bedarf dazu hat.
Wer gerne lernen möchte seinen mentalen Stress zu reduzieren kann sich bei unseren Bücherempfehlungen einmal das Buch von Kabat-Zinn bestellen. Hier werden schöne Übungen zur Achtsamkeit im Alltag mitgegeben, die sehr einfach umzusetzen sind.
Bis demnächst in der Praxis!
Viele Grüße von Thomas Bach
und dem TBAcare Team