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Es ist #Pinktober – Brustkrebsmonat

…und deshalb haben wir Anja gefragt, ob sie nicht ein paar Worte für den Blog verfassen möchte.

Anja kennen wir als Teilnehmerin unserer Ausbildung zum/zur psychoonkologischen Berater/in und waren von ihrer Art und Weise mit dem Krebs und dem Leben umzugehen beeindruckt. Deswegen freuen wir uns besonders, dass sie heute auch anderen Patientinnen helfen möchte und ihre Geschichte aufgeschrieben hat.

Denk an deine Brüste mit pinker Schleife

Mein Brustkrebs

Jedes Jahr erhalten in Deutschland etwa 70.000 Frauen die Diagnose „Brustkrebs“. Bei etwa 10 % ist eine vererbte Genmutation der Auslöser. Die Heilungsrate aller dieser Patientinnen liegt bei 85 Prozent. Drei von zehn Frauen sind zum Zeitpunkt der Diagnose deutlich jünger als 55 Jahre alt. Die wichtigste Rolle und die größte Chance im Kampf gegen den Krebs spielt nach wie vor die Früherkennung.

Soweit statistische Werte und allgemein Bekanntes.

Das alles ist so weit weg – das bin ja nicht ich.

Das ändert sich aber schlagartig, wenn Du zufällig einen flummigroßen Ball in Deiner Brust fühlst. Kurz nach Deinem fünfzigsten Geburtstag.
Vor der großen Feier mit sechzig Gästen; mit allen, die Dir was bedeuten.
Vor dem ersten Mammografietermin.

Der Ball war doch gestern noch nicht da!
Ignorieren; noch mal fühlen: immer noch da. Tief durchatmen. Nichts anmerken lassen. Und Du spürst doch, dass Dein Mann es auch weiß.

Der Besuch bei der Frauenärztin: ja, das gehört nicht dorthin.
Überweisung zur Mammografie. Biopsie – Entnahme einer Probe um zu wissen, was es ist. Computertomografie der Lunge und des Oberbauchs.
Knochenszintigramm, durch das mögliche Tumoransiedlungen (Metastasen) in den Knochen sichtbar werden.

Ab jetzt beginnt eine Zeit, von der jede Brustkrebspatientin im Nachhinein sagt, die Ungewissheit sei die schlimmste Zeit in ihrem Leben gewesen.

Das Warten; eine Woche, zwei Wochen, …

Nein, wir sagen es noch keinem – wir wissen ja selbst nicht, was ist und wie es weitergeht.
Nach einer Tumorkonferenz, in der alle Untersuchungsergebnisse besprochen werden, der nächste Termin bei der Ärztin. Wir halten innerlich die Luft an.

Und dann doch die Diagnose: Brustkrebs, bösartig, schnell wachsend, gut behandelbar.

Es klingt unwirklich. Der Verstand nimmt die Realität wahr, aber das Gefühl braucht noch ein bisschen, bis es versteht: das betrifft jetzt mich, und nicht jemand anderen. Mein Weg wird ab hier ein anderer sein als noch heute Morgen, als vor dem Spüren: da ist was, was nicht dahin gehört.

Dann kommt das volle Programm: 6 Monate Chemotherapie – der Tumor soll erst verkleinert werden. Dann eine OP, brusterhaltend, um den verbliebenen Rest des Tumors zu entfernen. Fünf Wochen danach Beginn der Strahlentherapie – 26 Bestrahlungen dahin, wo eigentlich nichts mehr ist.

Mein 6er im Lotto: es sind keine Lymphknoten befallen. Das gibt mir Mut und Sicherheit und Gewissheit und Vertrauen  während der Behandlungszeit, dass ich es schaffe. Dass die Ärzte und Ärztinnen, das Pflegepersonal wissen, was sie tun. Und dass ich alles andere nach oben abgebe. Mehr kann ICH nicht tun.

Noch vor der ersten Behandlung suche ich mir eine Perücke aus – man weiß ja nie. Und ja: schon nach der ersten Chemo fielen sie aus, meine Haare, die zuvor viele unterschiedliche Frisuren zugelassen hatten. Für mich war es wichtig, dass mich mein Umfeld nicht ohne Haare gesehen hat, und auch ich habe mich nur äußerst selten ohne Haare im Spiegel angesehen. Ich wollte mich davon nicht weiter herunterziehen lassen. Ich wollte nach vorne sehen, gesund werden, mein früheres Leben wieder haben.

Die Diagnose „Brustkrebs“ verändert von einem Tag auf den anderen alles. Sicher ist sie für keine Frau einfach zu bewältigen. Fragen kommen auf: Wie geht es weiter? Wie kann ich mit der Krankheit umgehen?

Krebs ist heilbar. Die notwendige Therapie kann jedoch vorübergehende oder auch bleibende Spuren hinterlassen: Schmerzen, kosmetisch störende körperliche Veränderungen, Narben, Abwehrschwäche.

In der modernen Krebstherapie geht es aber nicht nur darum, die Krankheit zu heilen oder die Überlebenszeit zu verlängern – es geht vor allem auch um die Qualität des Lebens.

Man sollte die Lähmung, die von der Erkrankung oder von den dadurch ausgelösten Ängsten ausgeht, überwinden und im „Hier und Jetzt“ leben.
Für eine gute Lebensqualität ist es wichtig, mit der veränderten Lebenssituation umzugehen. Ein schweigender Rückzug kann sowohl für die Kranke als auch für die Angehörigen belastend sein.

Ein offener Umgang mit der Erkrankung („sich aber nicht ständig beschweren“!) und möglichen Krankheitsfolgen führt oft zu besserer Lebensqualität. Wichtig sind eine liebevolle Unterstützung und Verständnis durch Partner, Familie und Freunde.

Ich denke, man sollte der Erkrankung auch nur das notwendige Maß an Aufmerksamkeit geben. Es ist wichtig, dass sich das Leben nicht ausschließlich nur um die Erkrankung dreht, sondern dass ich so weit wie möglich meinen bisherigen Interessen auch weiter nachgehe – beispielsweise Ausflüge unternehmen, Einladungen von Freunden annehmen, Urlaube planen und sich kreativ beschäftigen.

Anja mit Freundin
Anja mit Freundin und Essen

In den Stunden der Chemotherapie sollte man keine Angst vor dem „Gift“ haben, sondern die Infusion und die Zeit positiv belegen. Ich habe während der Chemo WhatsApp-Nachrichten mit einem Schuhbild im Anhang an meine Freundinnen verschickt:

„Liebe Grüße aus der Wellnessoase. Bekomme wieder einen Cocktail für 5.000 bis 6.000 Euro.“

Anjas Schuhe braun
Anjas Schuhe schwarz
Anjas Schuhe weiß
Anjas Kuschelsocken

Natürlich stellen sich auch Nebenwirkungen ein, die jede Frau unterschiedlich empfindet. Das betrifft vor allem das Knochenmark, die Haut, die Haarwurzeln (Haarausfall) und die Magen- und Darmschleimhaut. Finger und Füße werden taub, Nägel lösen sich und fallen ab.

Wichtig ist, dass frau und man akzeptieren:

Krebserkrankte gelten nie als geheilt. Bei hormonabhängigem Brustkrebs kann das Wachstum der bösartigen Zellen mit einer Antihormon-Behandlung gebremst werden, indem man die körpereigenen Hormone ausschaltet. Das Medikament, das frau fünf bis zehn Jahre einnimmt, greift Muskeln und Gelenke an, führt zur Gewichtszunahme, die drückt aufs Gemüt…
Hier gilt es gegenzusteuern. Mir hilft dabei das Laufen.

Den inneren Schweinehund überwinden und möglichst bei jedem Wetter, täglich, laufen gegen die Beschwerden in Körper und Kopf.

Anja in 2019 und 2018

2018 mit Perücke – 2019 mit neuer Frisur nach der Chemo

Im Netz gibt es viele Lebensgeschichten von Brustkrebserkrankten, die mir Mut und Ansporn geben, es zu schaffen. Beispiele:

Podcast „Zwei Frauen, zwei Brüste“ (hier z.B. auf Spotify)

Bestsellerautorin Nicole Staudinger „The kwien of Schlagfertigkeit“ (hier gehts zu ihrer Webseite) oder

„laufend_leben“ bei Instagram mit Britta Wulf (hier zum Profil)

Noch ein paar persönliche Sätze zum Schluss:

Die Erkrankung „braucht kein Mensch“, und nicht jede Frau überlebt den Brustkrebs oder die Behandlung. Und gerade bei jungen Frauen, die ihren Mann und kleine Kinder hinterlassen, wünscht man sich einen anderen Ausgang der Lebensgeschichte.

Der Einschnitt im Leben, den die Krankheit mit sich bringt, bietet aber auch Chancen und Möglichkeiten. Ich kann mir mein Leben „vorher“ heute nicht mehr vorstellen – auch wenn es ein gutes Leben war.

Die Beziehung in der Familie und zu Freundinnen hat sich gefestigt.
Manche Freundschaft hat nicht überlebt.
Meine Arbeitsstelle habe ich nach dreißig Jahren gewechselt – es war dran.
Und meine Haare sind jetzt deutlich kürzer, nicht gefärbt, mit einer pfiffigen grauen Strähne über der Stirn.

Hadern hilft nichts. Ich wollte der Krankheit nicht mehr Raum geben, als ihr zustand. Und auch anderen den Umgang mit mir nicht erschweren, indem ich nicht ausschließlich auf die Krankheit reduziert werden wollte.

Mein Blick ist ein anderer geworden.
Vor allem ist es ein Blick nach vorn, auch schon während der Behandlungszeit.

Insofern:

Zitat Steine im Weg

Anja Rompf
jetzt Psycho-Onkologische Beraterin in Haiger
Im Oktober 2021

 

(Fotos: privat)

Anja Rompf Profilbild

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