Willkommen zurück zu den 6 Phasen der Krebserkrankung
Viele Krebspatienten nutzen die Remissionsphase, um sich klar zu werden, wie sie ihr Leben leben möchten, was sie in ihrem Leben noch ändern wollen. Sie finden einen neuen Rhythmus, neue Gewohnheiten, das Leben gewinnt wieder mehr an Leichtigkeit.
Und plötzlich ist alles wieder anders: Ein Rezidiv ist entstanden. Der Krebs ist zurück. Die Rezidivphase, die niemandem gewünscht wird, ist nun Teil der Reise.
Eusebia ist mittlerweile ein paar Jahre älter und lebt ihr „neues“ Leben. Mithilfe einer psychoonkologischen Beraterin, Willibald und ihrer Familie hat sie es geschafft, in ihrem Leben ordentlich aufzuräumen und vieles einzuladen, was ihr gut tut. So hat sie sich ein paar Träume erfüllt, Ziele erreicht und neue gesteckt und v.a. auch ihre innere Haltung, Denkweise und Achtsamkeit trainiert und im positiven Sinne gestärkt. Und dennoch, mit all der Ruhe und den positiven Konsequenzen, die sie durch die erste Diagnose erleben durfte, kommen immer wieder diese Gedanken auf: Was, wenn der Krebs zurückkommt? Eusebia ist jemand, der auf die Nachsorgeuntersuchung hinfiebert, aber schon Tage vorher nervös ist und an nichts anderes mehr denken kann. Und dann kommt es, wie befürchtet: Die Untersuchung ergibt, dass erneut etwas gefunden wurde. Der Krebs ist zurück. Eusebia schämt sich regelrecht, dass sie es nicht geschafft hat, mit ihrer gesunden Lebensweise den Krebs fernzuhalten. Wieder bricht die Welt zusammen und es braucht nun viel Kraft und Motivation, um zu entscheiden, wie es weitergeht.
Willibald hat während Eusebias Remissionsphase ebenfalls mitgezogen und ein paar Dinge geändert. Prioritäten werden oft ganz schnell klar, wenn so eine schwere Krankheit und all den damit verbundenen Gefühlen, Ängsten, Befürchtungen und Bedauern (oder sogar Bereuen) in das Leben tritt. Die Jahre sind für ihn recht gut vergangen, er hat sich weiterentwickelt und lebt sein Leben mit Gelassenheit, ist dankbar und achtsam. Wären da nur nicht die Nachsorgeuntersuchungen. Wer hatte eigentlich gedacht, dass das Wort „Sorge“ in Vor- oder Nach-Sorge Sinn macht? Die Tage vor den Kontrollen sind immer mit gezwungenem Optimismus und heimlichen Ängsten gespickt. Und dann der Schlag: Ja, der Krebs ist zurück. Willibald fühlt sich in der Zeit zurück versetzt und erlebt den selben Schock, wie auch schon in der Diagnose- und Therapieplanungsphase. Wie konnte das nur passieren? Was hätte er noch tun können? Warum lässt der Krebs Eusebia nicht in Ruhe?
Rezidivphase: Alles auf den Prüfstand
Die Phase, in der der Krebs zurückkommt, heißt Rezidivphase. Sie ähnelt der Verdachts- und Diagnose-/Therapieplanungsphase, denn wieder müssen ähnliche Situationen bewältigt und Entscheidungen getroffen werden.
In dieser Phase trifft „unsere“ psychoonkologische Beraterin Anna normalerweise die meisten Klienten zum ersten Mal: Frisch nach dem Erhalt der erneuten Diagnose Krebs. Jetzt heißt es wieder Therapien planen, wieder die Behandlung durchstehen, wieder mit Nebenwirkungen umgehen, wieder die Ängste erleben.
Auch wenn man denkt – alles auf Anfang – ist es oft nicht ganz so. Die Faktenlage könnte inzwischen ganz anders sein. Die Zeit ist vorangeschritten und damit auch die Forschung. Es gibt eventuell ganz neue Verfahren und Möglichkeiten. Vielleicht möchte Eusebia dieses Mal auch (verstärkt) komplementäre Methoden probieren oder doch an einer Studie teilnehmen.
Es darf wieder alles auf den Prüfstand gestellt und eruiert werden, was damals gut geholfen hat und was nicht. Und entsprechend dieser Auflistung darf dann entschieden werden. Auch das FREUDE-Schema darf wieder zum Einsatz kommen.
Systemische Aspekte beachten
Da Anna schon eine Weile mit Eusebia und Willibald zusammenarbeitet, geht sie mit ihnen jetzt auch nochmal in Ruhe das Thema Krebs aus der systemischen Sichtweise an. Dazu hilft ein Genogramm, um die Schicksalsschläge oder andere wiederkehrende/sich häufende Muster in Eusebias Familie mal aufzuzeigen und daher vielleicht zu erkennen, wo Eusebia sogenannte Familienaufträge übernommen hat. Anna überweist Eusebia zu einer Kollegin, die mit Familienaufstellungen und Systemischer Beratung vertiefter arbeitet und so nun vielleicht neue Aspekte aufdeckt, an die Eusebia vorher noch nicht gearbeitet hat.
Aus psychischer Sicht sind in dieser Phase Themen wie Scham, Schuld, Vertrauen und Motivation besonders präsent und dürfen aufgearbeitet werden. Wo finde ich neue Motivation? Wie sage ich es der Familie? Wer ist schuld an dem Rezidiv? Was bedeuten Metastasen? Welche Botschaft sendet mein Körper nun?
Die Rezidivphase ist oft wie ein Schlag ins Gesicht, denn die Remissionsphase versprach große Erleichterung und den Triumph über den Krebs. Wie wir schon im Auftakt zu dieser „Die 6 Phasen“-Reihe erwähnt hatten, ist Krebs für uns als ein lebenslanger Prozess anzusehen. Er liefert Erfahrungen, Erkenntnisse, Schmerz und Trauer in sehr individuellen Varianten und Ausprägungen, aber er ist immer ein Einschnitt in die vorige Normalität, in das gewohnte und manchmal als selbstverständlich hingenommene Leben. Und gerade weil er so tief geht und Spuren hinterlässt, sind Krebspatienten und Angehörige eigentlich nie komplett los von ihm. Es gilt also immer, den Umgang mit diesem Thema möglichst konstruktiv und zielführend zu gestalten. Ein Rezidiv bringt dies ein weiteres Mal scharf in den Fokus.
Die nächste Phase ist auch die letzte Phase und natürlich geht es in der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit um unsere letzte Reise, um das Ende. Und trotzdem kommen in dieser Phase Themen auf, die eigentlich auch schon viel früher bearbeitet werden sollten, und auch nicht nur von Krebskranken. Aber dazu im nächsten Beitrag mehr.
Bis dahin alles Gute,
Dein TBAcare Team