„Psst, darüber spricht man doch nicht…“
Es gibt so Themen, die sind von Natur aus intim und werden nicht so sehr nach außen getragen (die Ausnahmen bestätigen natürlich immer die Regel). Sexualität gehört da bei vielen meist dazu.
Wie wir im Bett sind, uns dort verhalten, welche Vorlieben wir haben, aber auch welche Probleme … all dies wird in den meisten Fällen wenn dann mit dem/der Partner:in oder guten Freund:innen besprochen.
Auch Krebs ist so ein intimes Thema. Wir als psychoonkologische Berater sagen immer, dass der/die Klient:in damit rausgehen soll, sich anvertrauen soll, anderen zumuten, damit umgehen zu können. Aber einfach ist es oft nicht gleich.
Und wenn nun diese beiden intimen Themen zusammen kommen, es um Sexualität und Krebs geht, was macht man dann?
Wenn beim Patienten eventuell Schuldgefühle hochkommen. Wenn vielleicht Scham mit reinspielt und Bedürfnisse und Erwartungen nicht erfüllt werden?
Im folgenden Dialog geht es um genau dieses Thema. Der Gesprächsverlauf aus einer psychoonkologischen Beratung gibt vielleicht auch für Dich (als Berater oder Patient oder Angehöriger) erste Ideen und Hilfestellungen, wie man sich diesem Thema empathisch und unvoreingenommen nähert.
Neulich in der Praxis mit Thomas Bach
Klientin: „Kannst Du mir eigentlich auch bei einem etwas heikleren Thema helfen?“
Thomas: „Keine Ahnung, aber was ist es denn?“
Klientin: „Seit dem ich diese Antiestrogene zur Behandlung meines Brustkrebses nehme, bin ich im totalen Umstellungschaos. Ich fühle mich wie in den Wechseljahren und das schlimmste für mich und meinen Mann ist, dass ich total unlustig geworden bin. Mein Mann ist sehr liebevoll zu mir und sagt mir immer, dass es ja viele Möglichkeit für Sexualität gäbe, aber ich bin einfach wie innerlich tot und so richtig feucht werde ich auch nicht. Wenn er dann probiert zu mir zu kommen, dann schmerzt das und das nervt mich nur noch. Am liebsten will ich ins Kloster gehen…“
Eine kurze Stille entsteht, in der die Klientin nach unten schaut und in sich geht. Ich lasse sie in dieser Suchbewegung für einige Atemzüge lang und erst als sie mich wieder anschaut geht der Dialog weiter:
Thomas: „Wo bist Du gerade?“
Klientin: „Ich sehe mich in einem Kreuzgang im Ornat wandeln mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht und sehr friedlich…“
Thomas: „Was ist dort nicht mehr?“
Klientin: „Na die ganzen Erwartungen, die so an mich gestellt werden, sind hier nicht. Nur noch beten und Mithilfe im Kloster.“
Thomas: „Wer stellt denn Erwartungen an Dich?“
Klientin: „Na mein Mann. Der will doch sicher, dass es bei uns im Sex so läuft wie früher. Wir waren ein sehr aktives Paar, falls Du weißt, was ich meine.“
Thomas: „Ich kann es mir gut vorstellen, aber hast Du denn Deinen Mann wirklich konkret einmal gefragt welche Erwartungen und Wünsche er nun an Dich hat?“
Klientin: „Nein, eigentlich nicht, aber Männer sind doch so…, oder?“
Thomas: „Wie Männer sind, weiß ich tatsächlich nicht, denn ich kenne nur freilaufende Einzelexemplare, die sind aber sehr unterschiedlich von ihrer Bedürfnislage her. Würdest Du denn Deinen Mann konkret fragen, was er sich wünscht?“
Klientin: „Hmmm… wir haben noch nie offen über unsere Sexualität gesprochen und auch nicht darüber, wie es ihm mit meiner Brust und der Narbe geht.“
Thomas: „Wie geht es denn Dir damit?“
Klientin: „Naja, der Chirurg war schon gut, aber ich kann noch nicht richtig hinschauen und beim Eincremen bin ich immer ganz schnell über die Narbe gehuscht. Irgendwie fürchte ich mich davor…“
Wieder versinkt die Klientin anscheinend in ein inneres Bild und ich störe sie dabei nicht. Dann schaut sie mit feuchten Augen wieder zu mir.
Klientin: „Wie sagst Du immer? Ich solle meine Bedürfnisse äußern? Vielleicht wäre es schön, wenn mein Mann einfach mal nur seine Hand auf meine Brust legen würde und wir beide würden uns mit der neuen Form und der Narbe aussöhnen.“
Thomas: „Das wäre doch ein schöner Anfang. Und vielleicht könnt ihr dann über Deine Umstellungen im Körper, die auf das Medikament zurückzuführen sind, reden. Und wenn Du ganz viel Mut hast, dann erzählst Du ihm etwas über Deine Scham. Denn da ist ja ganz viel, was Du als beschämend empfindest. Ich erlebe es immer wieder, dass die Scham ein Gefühl ist, über das nicht gesprochen wird. Ängste und Wut sind viel weniger tabuisiert als die Scham. Und gerade in der Sexualität ist Scham ein sehr vorherrschendes Gefühl. Jetzt wäre das eine gute Gelegenheit, all die verborgenen Gefühle einmal mit Deinem Mann zu besprechen, besonders da es vor Deiner Erkrankung so „reibungslos“ geklappt hat.“
In der Sexualität ist Scham ein vorherrschendes Gefühl
Klientin: „A propos Reibung. Hast Du eine Idee als Mann, wie ich mit der fehlenden Feuchtigkeit zurechtkommen soll?“
Thomas: „Na ja, ich persönlich habe mit Kokosöl, das ja bei Zimmertemperatur hart ist und in der Hand schnell schmilzt, gute Erfahrungen gemacht. Aber ich glaube, dass es zuerst einmal wichtiger ist, dass ihr beide auf einer neuen Ebene anfangt miteinander zu reden. Euch mitteilt, wie es Euch geht mit der neuen Situation und vielleicht auch Deine Idee mit dem Halten Deiner Brust beginnt. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass die ganzen Gefühle in Dir auch mit verantwortlich für das zu trockene Scheidenmilieu sind. Natürlich wirken die Medikamente auf hormoneller Ebene sehr stark und erzeugen dieselben Symptome wie im Klimakterium, aber meiner Erfahrung nach kann da ein liebevoller Umgang und der neue Umgang mit Deinem Körper eine Hilfestellung sein. Mach doch erst einmal Deine Erfahrung auf der Kommunikationsebene. Sprich über Deine Scham und die Scham darüber zu reden. Du wirst merken, dass das schon sehr hilfreich ist. Wenn ihr beide wollt, dann können wir gerne auch hier in der Beratungspraxis darüber reden. Manchmal kann der geschützte Rahmen hier es erleichtern auch solche Themen anzusprechen. Was meinst Du?“
Klientin: „Ich werde jetzt erstmal mit meinem Mann reden, aber danke für das Angebot. Je nachdem wie er reagiert komme ich gerne darauf zurück. Danke, allein das jetzt mal angesprochen zu haben tut mir gut. Zumal mit Dir als Mann, ich hätte nicht gedacht, dass ich das kann. Es geht mir irgendwie besser gerade und freue mich auf meinen Mann zu Hause. Er ist sehr liebevoll und verständnisvoll, also eigentlich bräuchte ich mich gar nicht zu schämen, aber die Erziehung halt und das Thema…“
Thomas: „Ja, ich danke Dir auch für Dein Vertrauen und wünsche Euch beiden eine gelingende Kommunikation!“
Psychoonkologie beim Thema Krebs & Sexualität
Die Psychoonkologie kann nicht unbedingt die körperlichen Symptome verändern, aber die Art und Weise, wie Du mit den Themen und Fragestellungen bei Nebenwirkungen einer Behandlung besonders im Bereich der Sexualität umgehst, kann wirkungsvoll bearbeitet werden und einen Unterschied herstellen.
Gerade die dazugehörigen Gefühle wie Scham, Schuld und auch ungeäußerte Bedürfnisse sind oft zu finden und dürfen gelöst und hinterfragt werden.
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Vom Krebsinformationsdienst gibt es hilfreiche Lektüre im Internet. Wir haben sie Dir hier verlinkt:
Weibliche Sexualität und Krebs
Männliche Sexualität und Krebs
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Wenn Du auch im Bezug auf dieses Thema Sexualität Hilfestellung benötigst, dann wende Dich doch an die Berater in unserem Beraterpool, oder schreib einfach eine Email, oder buche Dir hier einen Beratungstermin.
Welche Tipps oder Hilfestellungen hast Du bei diesem Thema?
Bis zum nächsten Mal, alles Gute!
Dein TBAcare Team